Montag, 14. Februar 2011

Unter der Hand

Auf der Suche nach großen Worten
Gesten die überlieferungswürdig sind
versteckten wir uns vor den Toten
deren Unverstandensein uns langsam erreicht
Ich gebar eine Schnecke
verschluckte ihr Haus
während eine Stimme im Radio
von Roland Barthes einsamen Nächten berichtete
Zweifelsfrei
Als wäre das eine Art der Emotionslosigkeit
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Reisen

Mit der Kleinsilbigkeit in der wir uns eingerichtet hatten,
erzählten wir einander von Reisen
(ein paar klingende Dächer vor den Fenstern,
aber wir sahen nicht hinaus).

Den Alltag mussten wir ausklammern.
(die Art, wie wir den Kindern die Nasen putzen,
die Wäsche zusammenlegen, das Geld umsichtig auszugeben versuchen)
Ich beobachtete sie,
die einwandfrei (sorgfältig) gebügelte Bluse,
ihr Haar, hinter das Ohr gesteckt.
Die Kelche, aus denen wir tranken,
spiegelten die Scherben in ihrem Blick.
Wir erzählten einander von Reisen.
Dann brachen wir auf.
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Sonntag, 13. Februar 2011

Ringelreihen

Wir haben Mann und Frau gespielt
und Schuld und Sühne
wir haben so lange Ringelreihen getanzt
bis wir die Orientierung verloren hatten
also fingen wir an zu suchen
und fanden
den Zweifel
die Missgunst
ein paar angeschimmelte Versprechen
und schließlich
den Boden der Tatsachen
dort hätten wir liegen bleiben können
aber wir schauten in den Himmel
und sprangen auf die Füße
bevor der andere uns zuvor kommen konnte
und da standen wir
immer noch ein wenig schwindelig
vom langen Drehen und Wenden
und hatten keine Lust mehr zu spielen
weder Mann und Frau
noch Ringelreihen
nicht einmal uns selbst
oder Verstecken
wir hatten ja nicht einmal Lust zu suchen
was wir verloren hatten
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Freitag, 11. Februar 2011

Zweiter August

Diese Nacht die ich mir vorstellte,
war schier nicht vorstellbar.
Ein zäher Nebel lag über dem was wir dachten
(was die anderen hören wollten
und was wir zu erzählen hatten)
unsere Vorsehung vorbehaltlos zu verschwinden,
und doch Spuren zu hinterlassen.
(Narben!)
Die Fenster blieben geschlossen,
vor der Tür tanzte Schnee,
so viel leichter als wir,
(ein verwunschener Flug der Unerheblichkeit).
Wir wollten voran kommen,
den Schnee beiseite schieben
(seine Leichtigkeit auch).
Niemand stand auf.
Es war niemand da, der aufstehen konnte.
Nur ich.
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Donnerstag, 10. Februar 2011

Die Träumer des Tages

Nur ein Dummkopf kann glauben
dass Träume aus rosa Daunen bestehen
Als würden sie nicht nachts nach dir greifen
sich in alles hineinwagen
(ähnlich wie das Wasser ganz anders als du)
Das einzige was du in der Hand hast
ist dein eigener Abbruch
dunkel die Tage etwas Weißes hängt im Geäst
Da hast du nun all diese Worte gelernt
Und die Art sie aneinander zu fügen
(ich gehe du gehst er sie es geht)
um im falschen Moment zu schweigen
Statt nach Worten
ringst du nach Luft
Und später
viel später erst
wirst du alles begreifen und sagen
dass Proust Recht hat
Den Frauen die wir geliebt haben
können wir niemals wieder begegnen
weil sie nicht im Raum gelebt haben
sondern in der Zeit.
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Mittwoch, 9. Februar 2011

80 Jahre wäre er heute geworden

Thomas Bernhard.
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Das Buch von Blanche und Marie – Per Olov Enquist

Blanche schreibt ein gelbes, ein schwarzes und ein rotes Buch, Fragebücher auf der Suche nach dem Wesen der Liebe. Getrieben von der Hoffnung, Antworten zu finden, die beweisen, dass die Liebe alles überwindet.
Marie schreibt Geschichte, weil sie dem blauen Licht folgt. Sie findet, gemeinsam mit ihrem Mann Pierre, die Radioaktivität und nach dessen Tod Radium. Und schließlich eine Liebe, die sie fast zerstört, lange bevor das Radium dieses Werk vollendet.
Per Olov Enquist schreibt das Buch von Blanche und Marie, die dem Licht folgten. Dem blauen und dem der Liebe. „Amor Omnia Vincit“. Das ist die Arbeitshypothese, die Enquist anwendet, um alles zusammenzufügen, um einen Sinn zu finden, die Teile ganz werden zu lassen. Vom Torso ausgehend, die amputierten Teile zurückzuholen, um wenigstens rückblickend ein heiles Ganzes zu schaffen. Und um am Schluss vielleicht zu verstehen.

Blanche und Charcot, Marie und Paul, Blanche und Marie. Die Dinge wiederholen sich, die Geschichte ist immer dieselbe, eine von Leben und Tod und all den Fragen dazwischen. Auf die Antworten gesucht werden, bis nur noch ein Sarg da ist, und eine Hand auf dem Sargdeckel. Und der Satz: Ich weiche nie von deiner Seite.
Das ist der Ausgangspunkt: Blanche Fragebücher und Maries Geschichte. Und die Geschichte des Lichts und der Amputationen. Und wie alles zusammenhängt.
„Zu erklären versuchen, was man versteht, geht nicht,“ schreibt Enquist. Aber als kommentierender, manchmal mit zynischer Distanz scheinbar über den Dingen stehender Erzähler, Aussagen formulieren und dann über jedes einzelne Wort nachdenken, geht sehr gut.
Rein technisch nutzt Enquist mit seinem kommentierenden Erzähler die Möglichkeit, das Verbotene zu tun (sich wie Blanche und Marie über die Regeln der Zeit und Zunft hinweg zu setzen). Er interpretiert seine Sätze, er erläutert sie. Er denkt über seine Figuren nach, stellt sich Fragen über sie und ihre Motive. Nicht hinter den Kulissen, sondern vor den Augen seiner Leser.
Enquist gelingt es durch systematisches Aneinanderreihen scheinbar unzusammenhängender Aussagen und wechselnde Perspektiven, eine einheitliche Geschichte zu erzählen. Zitate aus Blanche Fragebuch (das es wirklich gegeben hat, dessen Zitate jedoch ausschließlich von Enquist erdacht sind) folgen auf eine Geschichte von Marie und Charcot, immer wieder gebrochen durch die Kommentare Enquists. Was entsteht ist eine Geschichte, die vielleicht wahrer ist als die historischen Fakten.
„Legt man alle Geschichten übereinander, wird am Ende alles unsichtbar. Also muss man wählen“, schreibt Enquist. Und zeigt, wie man wählen kann, die Geschichten übereinander zu legen. Indem man den Geschichten den selben Kern zugrunde legt, sie am gleichen Faden aufreiht. Die Amputationen als körperliches Bild bei Charcots Bruder, bei Blanche, die, als sie die Fragebücher schreibt, nur noch ein einarmiger Torso ist, bei Marie, der schließlich innere Organe entfernt werden müssen, und darüber hinaus metaphorisch, als die Amputationen, die aus der ureigenen Geschichte jedes Menschen erwachsen und die zuweilen dazu führen, dass eine große Liebe nicht gelebt wird, dass zwei Menschen das Dunkel erst spät (zu spät?) miteinander teilen.
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Von Wegen Helligkeit und so

Immerhin gestern nachmittag die ersten Krokusse entdeckt.
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Montag, 7. Februar 2011

...

Ich krame nur noch alte Sachen raus und habe Zahnschmerzen und brauche Zuspruch.
Scheitern, wenn es gerade geschieht, ist nicht besonders produktiv.
(so viel zu der angestrebten Helligkeit des Inhalts)
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Sonntag, 6. Februar 2011

Sogar Papagien überleben uns

Sogar Papageien überleben uns

„Die Alten scherzen und lachen und machen sich lustig übereinander. Die jungen Autoren sind ernst und höflich. Und ich bin zwischen „alt“ und „jung“ und weiß nicht, ob ich noch ernst sein darf oder schon scherzen muss.“ Diese Worte schenkt die Lyrikerin und Essayistin Olga Martynova ihrer Heldin Marina in ihrem ersten Roman mit dem Titel: „Sogar Papageien überleben uns“. Vielleicht ist dieses Alter zwischen jung und alt das beste Alter, um so ein Buch zu schreiben. Ein Buch zwischen Ernst und Heiterkeit, über das Wesen der Zeit und ein Jahrhundert in dem Menschen einiges angestellt haben, das die Zeit nicht vergessen machen kann. An das die Erinnerung in unterschiedlicher Weise heranreicht, zwischen Vergessen und Beschwören, zwischen Abgeklärtheit und Sentimentalität.

Vor zwanzig Jahren waren sie ein Paar, der Deutsche Andreas und die Russin Marina. Sie haben sich niemals ganz aus den Augen verloren, aber jeweils andere Partner geheiratet und sich wieder scheiden lassen. Jetzt ist Marina in Deutschland, um im Rahmen eines Literaturfestivals über Daniil Charms und seinen Freundeskreis zu referieren. Andreas hat ihr einen Heiratsantrag gemacht, aber dann schweigt das Taschentelefon mehrere Tage lang. Marina widmet sich ihren Erinnerungen und den wenig fassbaren und eigentlich immer nur skizzierten Nebenfiguren, wie dem finsteren Dichter Fjodor und dem Maler Gregor, der sie fasziniert, wie sie „alle Menschen faszinieren, die leicht schlafwandlerisch und nicht ganz nachvollziehbar reden“.
Ein deutsch – russisches Verhältnis wird in diesem Buch beschrieben. Und das im weitesten Sinne des Wortes. Zwanzig Jahre Zeit- und Lebensgeschichte, wobei Martynova gekonnt zeigt, wie privat jede politische Umwälzung ist, wie sehr das politische das Private bestimmt, auch in diesen Zeiten, die wir „frei“ nennen und demokratisch. Am großartigsten aber ist, wie es der Autorin gelingt die Zeitlosigkeit des Geschehenen in Form seiner Allgegenwärtigkeit glaubhaft zu machen. Die Geschichte schwingt immer mit, nie aufdringlich, aber immer präsent, gewürzt mit den Gedichten Fjodors, mit der unterschwelligen Anwesenheit Charms und der Vögel, das sind die Pfeiler, die den Roman tragen, die Bäume um die die unfassbare Zeit herumfliegt. Die Zeit die in einem dreizeiligen Balken von Jahreszahlen von 5. Jhd. v.Chr. bis 2006 die Kapitelüberschriften schmücken, wobei diejenigen Jahreszahlen die Marinas Erinnerungen streifen, fett gedruckt sind. Eine zusätzliche optische Untermauerung dieses Romans. Die Idee dazu, erzählt die Autorin in einem Interview, sei ihr nachts gekommen, nachdem der Roman bereits fertig war.

Zum Ende des Buches fasst Fjodor, der grimmige Dichter, (der ebenso wie Olga Martynova nun Prosa schreibt) den Roman mit ein paar Sätzen zusammen, wenn er das Motto seines eigenen Romans, das wiederum von Wwednskij stammt vorstellt:
„In einem Roman wird das Leben beschrieben, da läuft angeblich die Zeit, aber sie hat nichts Gemeinsames mit der wirklichen Zeit, da gibt es keine Ablösung des Tages durch die Nacht, da entsinnt man sich spielerisch beinah des ganzes Lebens, während du dich in der Wirklichkeit kaum an den gestrigen Tag erinnern kannst. Und überhaupt: Jede Beschreibung ist falsch. Der Satz: ‚Ein Mensch sitzt, über seinem Kopf ist ein Schiff’, ist doch vielleicht richtiger als ‚Ein Mensch sitzt und liest ein Buch’. Der einzige seinem Prinzip nach richtige Roman ist der von mir. Aber er ist schlecht geschrieben.“
Dieses Buch ist ganz sicher nicht schlecht geschrieben. Höchstens schlecht beschrieben (von mir), weil sich diese „Komödie der Zeit“ (wie Jochen Jung das Buch in seiner Rezension für den Tagesspiegel nennt), diese Prosa, die sich dem Zeitfluss überlässt, bei keinem Thema stehen bleibt, ebenso wenig wie die Zeit.
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...

Sehen Sie mal; ist heller geworden hier.
Vielleicht schaffe ich das demnächst auch mit dem Inhalt.
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Samstag, 5. Februar 2011

Etwas bewachte unseren Glauben

Nach dem ersten Schuss verloren sie die Übersicht.
Das Versprechen geringfügiger Raten auf Kosten einer voll entfaltbaren Zuversicht
Ihre naiven Gedanken, sein negativer Zugriff darauf
und wie auf diese Weise alles zum Einsturz gebracht wurde.
Sie nannten es Vertreibung.
Sie nannten es Abschied vom Paradies und Ankommen in der Wirklichkeit.
Das waren die Worte und wie der Körper sie spürt nannten sie Gefühle
etwas das die Geschichte fortschrieb möglichst weit von jeglicher Verantwortung.
Die falschen Träume die sie uns einpflanzten um Bescheidenheit zu predigen.
Wir hörten ihre Gebete.
Wir lachten nicht.
Die Tränen hielten uns fest auf diesem Boden der kein Vorankommen versprach
keinen Aufbruch. Nur ein sicheres Ende. Früher oder später.
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Wasserwesen

Ein Mann aus Lehm, der alles wusste, bis der Wind ihm einen Namen gab und er anfing zu vergessen. Und Franz hieß oder Walter und sich nur noch an das erinnerte, was geschrieben stand. Was erzählt wurde. Immer wieder, dieser seltsamen Singsang der Stimmen.
Was der Wind erzählte und die Jahreszeiten, die Felder und die Wolken, verstand er längst nicht mehr. Nur manchmal am Meer, wenn die Wellen wütend ans Ufer schlugen und salzige Körner auf seinen Lippen zurückließen, saß etwas in seinem Kopf, das lachend Steine und Muscheln warf, die sich weder hinunterschlucken noch ausspucken ließen.
Seine Tränen sammelte er in einer Konservenbüchse. Eines Tages würde er sie den Mädchen zeigen.

Schließ die Fenster, hatte sie gesagt, es wird ein Unwetter geben. Er hatte nicht aufgesehen und nichts gefragt. Kein Schulterzucken und die Nacht war längst hereingebrochen, die Kinder schliefen. Ihre Kinder.
Seine Kinder. Tags zuvor waren die Reste der Schwimmhäute abgefallen. Das war das letzte Zeichen.

Das Schlimmste war ihre Haut, die immer dunkler wurde, jeden Tag, an dem er die Frage nicht stellte. Schlimmer als der Tang und die Algen. Als der Geruch des Meeres, der den Poren entströmte, die grün schimmernde Kopfhaut unter den Haaren. Ihre Konturen verliefen, aber jede Nacht kreuzte sie seine Arme über der Brust.

Wie lächerlich, sagten die Mädchen, die längst keine Kinder mehr waren, als sie seine Tränen in der Dose sahen, ein durchsichtiges Gewässer über rostig rotem Grund.
Sie brauchte kein Wasser mehr, behaupteten sie, ihr waren längst Füße gewachsen.
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