Samstag, 26. Februar 2011

...

Als erstes erwachte der Widerspruchsgeist
Ich war noch nicht zu mir gekommen
(Ich war noch weit genug von mir entfernt)
Ich suchte nichts mehr
Ich hatte in zu vielen Nestern gelegen
Zu vielen Nächten über die Augen geleckt
Ich starb
Aber ich brachte es nicht zu Ende
Ich war nicht tot
Ich war verloren ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren

Dann
Eines Morgens
(nach einer langen ergebnislosen Nacht)
begegnete ich einem Boxer
Er trug nur einen Bademantel
Und seine Boxhandschuhe
Warum ziehst du sie nicht aus
fragte ich
Ich erwartete keine Antwort
auf diese Frage
Ich erwartete stets nur das Unmögliche
Er zog die Handschuhe aus
und siehe da
er hatte wunderbar kleinliche Hände
mit denen würde er niemals etwas aufbauen
oder zerstören können
Es war diese Art Erwachen
nach der ich mich immer gesehnt hatte
Doch nun schmeckte alles fahl und abgestanden
Wir standen uns gegenüber
(Auge um Auge, Zahn um Zahn)
Ich bin der Dichter
sagte er
und ich lächelte
und erwiderte
Ja
Aber ich bin die Poesie
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Mittwoch, 23. Februar 2011

...


Ich suchte nach etwas, das mich aufhielt, vielleicht ging ich darum immer wieder an dem Gefängnis vorbei, das Franz Biberkopf damals (und in meiner Vorstellung immer wieder) so zögerlich verlassen hatte.
Aber natürlich war nicht 1929, das war lange vorbei, und ich war kein Mann. Die Zeit hatte alles verändert, diejenigen, die damals in den Gefängnissen saßen und die Freiheit fürchteten, weil man vielleicht nirgendwo so gut wie in einem Gefängnis erfahren kann, was Freiheit ist, dass eben nicht alles leere Worte sind und trotzdem ist das einzige, das wirklich zählt die Hoffnung und darum ist es so wichtig, sich davor zu schützen, diejenigen, die das damals begriffen hatten, waren längst tot, aber diese Tatsache nicht. Diese Art Wahrheit war nicht totzukriegen. Nicht mit den sich verändernden Jahreszahlen, nicht mit neuen Kleidern und anderen Staatsgrenzen.
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Dienstag, 22. Februar 2011

Mutprobe

Später werde ich auf die Geduld des Papiers vertrauen
Die Dinge umkehren und von der anderen Seite denken
Ich werde dir von den Geräuschen schreiben
Welche Erinnerungen sie malen
(die Gefühle wie immer nachlässig verpackt zwischen den Zeilen)
Und schweigen über die ungelenken Schritte
die unsere Tage betreten machten
Deine warmen Arme
und meine abgestandenen Geschichten
weil ich ein Leben behaupten wollte
das ich nicht hatte
Deine Tränen die sich in Spinnen verwandelten
Kein Wort davon
Nur diese Erinnerung an heute
An den Klang von brechendem Eis
Drei Kinder mit erhitzten Gesichtern
unerbittlich bemüht
mit der ihnen zur Verfügung stehenden Kraft
Und im Haus
In der Küche
Die Mutter
Die lauscht.
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Mutprobe

Ich höre dumpfe Schläge aus dem Garten. Kurz darauf stehen drei Kinder in der Küche, jeweils einen kleinen See unter ihren Füßen.
Die Mutprobe ging so: Eisdecke vom Teich aufbrechen (die dumpfen Schläge) und dann einen Schritt in den Teich machen (der See unter den Füßen).
Und meine Mutprobe: daraus ein ähnlich berührendes Gedicht machen, wie diese Mutter, auf die ich vorhin verwies.
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Wie Liebe geht

ich habe gerade eine wunderschöne Rede einer Mutter an ihren Sohn gelesen. Das möchte ich mit Ihnen teilen.
Hier.
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Sonntag, 20. Februar 2011

Boxer

So war es wohl
Gott sah ab von jeglicher Notwendigkeit
Und erschuf mich und meinesgleichen
die wir getrieben vom Zweifel
damit fortfuhren im falschen Moment zu schweigen
zwischen den Zeilen zu lesen
was wir uns selbst zur Last legten
unser Ungenügen klar wie Wasser
zu klar um wütende Reden gegen sich selbst zu führen
zu durchsichtig für den erlösenden Schlag
Gefangen in erwartungsvoll tänzelnden Schritten
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Die Zeit. Das Wort.

Die Zeit. Das Wort. Wir wenden uns ab. Kehren uns um. Abwesend. Nichtssagend.
Péter Esterházy hat einen Produktionsroman geschrieben, andere produzieren wenigstens irgend etwas. Ich verlangsame. Ich verringere den Abstand. Sonst nichts.
Die Zwischenräume müssen nicht gefüllt werden, denn es gibt ja das Nichts, die Langeweile, das Überflüssige, das sich von selbst in die Zwischenräume legt. Räume zwischen dem Auftauchen einer Frage und ihrer notwendigen (zwangsläufigen) Lösung.
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Samstag, 19. Februar 2011

Scheitern


Ich habe nicht so sehr Angst, zu scheitern, als vielmehr davor, längst schon gescheitert zu sein und nach wie vor nicht zu erkennen, dass es so ist.
In diesem fünften Jahr der Arbeit am Roman, musste ich mir eingestehen, den Atem noch immer nicht gefunden zu haben und die Tatsache, dass ich dennoch nicht bereit war aufzugeben (obwohl ich mir ein Scheitern des bislang verfolgten Aufbaus eingestand), konnte ich als trotziges Festhalten an etwas längst verlorenem bezeichnen, oder als Aufgabe, Berufung (etwas das allein in der Lage wäre, mich auf Dauer zu befrieden, schreibt Ursula Krechel), etwas das ich nicht aufgeben konnte, ohne gleichzeitig den Glauben an mich selbst aufzugeben.
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Donnerstag, 17. Februar 2011

Knusperhäuschen

Ich habe so vieles geglaubt
Damals
Als ich das Kratzen des Bleistifts
Auf dem Papier
Für eine Selbstverständlichkeit hielt
Als ich glaubte
Gedichte wachsen den Dichtern aus den Händen
Wie Bäume Blätter verlieren
Und wer als Tanne geboren wird
Kann sich immer noch auf Weihnachten freuen

Später
als der Glaube mich ausgetrieben hatte
wie einen guten Geist
der sich in keine Flasche sperren lässt
Als ich nichts mehr suchte
Außer dem Boden unter meinen Füßen
Dachte ich immer noch einiges

Ich dachte an Tauben
Und ihren Flügelschlag
Ich dachte an
Spielende Kinder
Ich dachte ich könnte so tun
Als würde ich mit den Ohren Bilder malen
In jedermanns Gesicht
Ohne dass mich jemand hört

Ich habe mir so vieles vorgestellt
Auch später noch als ich das Vertrauen verloren hatte
Und ich den Weg zurück nicht fand
Weil ich statt Kieselsteinen eine Spur aus Worten gelegt hatte
Mit der ein paar alte Damen Scrabble spielten
Ich verirrte mich
Im dichten Wald
Es war so dunkel
Und ach so bitter kalt

Es ist nicht so dass mich niemand gewarnt hätte
Aber ein Haus ist immer noch ein Haus
Und dieses war dekoriert mit zuckersüßen Worten
Bunt kandiert und klebrig
Warum hätte ich nicht eintreten sollen
Nichts hielt mich zurück
Ich hatte ja nicht einmal mehr einen Glauben
Oder festen Boden unter meinen Füßen
Schreib Dich ein sprach die Hexe
Und zückte die Feder
Als ich erst über die Schwelle getreten war
Gab es kein Zurück mehr
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Mittwoch, 16. Februar 2011

Rumpelstilzchen

Als ich die Stelle erreichte
(mittig sitzend zwischen Leben und Tod)
hatte ich immer noch keine Ahnung
wer Rapunzel ist
und warum es sich ausgerechnet
einen schreienden hungrigen Säugling wünschte.

Wir betreten die magische Welt nicht
um zu verstehen wie Licht auf die Schatten fällt
Wir spinnen Stroh zu Gold auf eine uneinlösbare Weise
So lange bis uns endlich der eigene Name entfällt.
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Dienstag, 15. Februar 2011

Schnee

Wie der Schnee ein geduldiges Bett webt
für flüchtige Gedanken
für das was unter der Erde liegt
hinter der Stirn
auf dem Tisch sortierst du die Tage
trennst sie von ihrer Bedeutung
und machst dir ein Bild
dem niemand entspricht

Nach einer sehr genauen Betrachtung
weißt du nicht wohin mit den Sätzen
Erscheint dir dein Leben
wie der Tanz einer Schneeflocke
Nur deshalb so köstlich
weil es mit Auslöschung endet
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