es war einmal

Mittwoch, 27. April 2011

Pechmarie


Als ich mich in eine Dichterin verwandelte,
war die Erde eine Scheibe,
die mich von sich abschnitt
(abschied).
Ich hatte eine Schwester.
Sie war in den Brunnen gefallen.
Ich wartete auf die lehrsamen Gesänge des Huhns.
Die Welt betrachtete mich nicht länger.
Ich schrieb an meinem Abgesang.
Ich würde ihr nicht nacheifern,
nur berichten, wie alles begann.
Die Wolken in Luft auflösen
und etwas anderes an ihrer Stelle sehen.
Etwas, bei dem ich blieb,
nicht um auszuharren,
sondern um hinauszutreten
um hinauszugehen über das
was geschrieben steht.

Als ich mich in eine Dichterin verwandelte,
ließ ein Eimer Gold sich auf meiner Schwester nieder.
Kein Hahn krähte
und für mich lag von nun an
das Licht im Dunkeln.
Sie dichteten mir Namen an,
wer ich wirklich war,
sahen sie nie.
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Donnerstag, 17. Februar 2011

Knusperhäuschen

Ich habe so vieles geglaubt
Damals
Als ich das Kratzen des Bleistifts
Auf dem Papier
Für eine Selbstverständlichkeit hielt
Als ich glaubte
Gedichte wachsen den Dichtern aus den Händen
Wie Bäume Blätter verlieren
Und wer als Tanne geboren wird
Kann sich immer noch auf Weihnachten freuen

Später
als der Glaube mich ausgetrieben hatte
wie einen guten Geist
der sich in keine Flasche sperren lässt
Als ich nichts mehr suchte
Außer dem Boden unter meinen Füßen
Dachte ich immer noch einiges

Ich dachte an Tauben
Und ihren Flügelschlag
Ich dachte an
Spielende Kinder
Ich dachte ich könnte so tun
Als würde ich mit den Ohren Bilder malen
In jedermanns Gesicht
Ohne dass mich jemand hört

Ich habe mir so vieles vorgestellt
Auch später noch als ich das Vertrauen verloren hatte
Und ich den Weg zurück nicht fand
Weil ich statt Kieselsteinen eine Spur aus Worten gelegt hatte
Mit der ein paar alte Damen Scrabble spielten
Ich verirrte mich
Im dichten Wald
Es war so dunkel
Und ach so bitter kalt

Es ist nicht so dass mich niemand gewarnt hätte
Aber ein Haus ist immer noch ein Haus
Und dieses war dekoriert mit zuckersüßen Worten
Bunt kandiert und klebrig
Warum hätte ich nicht eintreten sollen
Nichts hielt mich zurück
Ich hatte ja nicht einmal mehr einen Glauben
Oder festen Boden unter meinen Füßen
Schreib Dich ein sprach die Hexe
Und zückte die Feder
Als ich erst über die Schwelle getreten war
Gab es kein Zurück mehr
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Mittwoch, 16. Februar 2011

Rumpelstilzchen

Als ich die Stelle erreichte
(mittig sitzend zwischen Leben und Tod)
hatte ich immer noch keine Ahnung
wer Rapunzel ist
und warum es sich ausgerechnet
einen schreienden hungrigen Säugling wünschte.

Wir betreten die magische Welt nicht
um zu verstehen wie Licht auf die Schatten fällt
Wir spinnen Stroh zu Gold auf eine uneinlösbare Weise
So lange bis uns endlich der eigene Name entfällt.
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Dienstag, 28. September 2010

Was wäre denn, wenn Hänsel und Gretel statt der Kieselsteine die Zeit aufgelesen hätten auf ihrem Weg zurück nach Hause?

Was man alles so auflesen kann. Den Müll den andere im Wald liegen gelassen haben, die Blümelein am Wegesrand, das stoßweise Atmen aus dem Gebüsch, die Buchstaben aus der Suppe, um damit eine neue Geschichte zu legen etc. pp.
Der Regen legte sich stufenlos auf unser Gemüt. Auserlesen. Jetzt hatten wir die Abenteuer hinter uns gebracht und vor uns lag ein Leben das nichts Nennenswertes mit uns im Schilde führte.
Wir könnten einander Namen geben, aus der Geschichte austreten. Falschen Spuren folgen, oder die Hexe im letzten Moment aus dem Ofen ziehen. Aber wir tun nichts. Wir pflegen unsere dummen Namen und schauen stumm in die Luft. Als warteten wir darauf, dass das Leben uns aufliest.
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Montag, 20. September 2010

Scriberi

Ich kam über die sieben Berge
(sie versetzten mich
aber ich behauptete ich versetzte sie)
Viel später erst
in diesem Sarg aus Glas
habe ich mich der Einsicht gestellt
(zur Schau gestellt
schutzlos den Blicken preisgegeben
und dem was der Spiegel vertagt
- den Zerfall
seinen unstillbaren Hunger
die Mittel
und wie sie das Ziel erreichen
zuweilen humpelnd)
Ich hätte nicht in den Apfel beißen sollen
(diese Geschichte von der Erkenntnis)
Nesseln und brennende Dornbüsche
Aber wenigstens Bewegung
Und ich liege
Liege still
Ein Stillleben hinter Glas
Das ist was der Prinz sich wünscht
was mit mir zu tun hat
lässt er im Sarg
Wie heißt es so schön in den Märchen
Sie heirateten einander
und versprachen dem Glück
ihm von nun an
gemeinsam
im Weg zu stehen.
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Freitag, 18. September 2009

Schneewittchen

Schneewittchens Geschichte verlief hinter den Spiegeln
Dort gebar der Frosch einen Prinzen
Und begrub seine Kraft
Das heißt die Magie der Verwandlung

Das Blut und die Tränen
Die gefalteten Hände
Eine Spur aus unbeugsamen Brotkrumen
Die sehr beharrlich zwischen dem es war einmal
Und dem vorläufigen Ende lag

Diesem Ende im durchsichtigen Sarg
In dem nicht nur die Zwerge
Die Einbildungen der Vergangenheit erkannten
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Montag, 7. September 2009

Die Mutter der sieben Geißlein

Mag sein dass ich damals mehrmals täglich
Meine Kinder zählte
Ich war verwirrt und ständig in Sorge
Eines von ihnen in der Standuhr zu vergessen
Ich hatte Kreide gekauft
Damit wir die Stimme des Wolfes erkennen
Rotkäppchen war zur Großmutter gerannt
Erst wenn es dunkel wurde
Öffneten wir die Fensterläden
Und wagten uns hinaus in den Wald
Wir befürchteten unseren Träumen zu begegnen
Und dass sie uns unregelmäßig wecken würden
Das war der Grund warum ich ständig in der Standuhr nachsah
Die Zeit spielte nur so lange eine Rolle
Bis Rotkäppchen der Großmutter den Korb entreißen würde
Wir zählten die Sterne
Waren es mehr als sieben
Gingen wir zurück in unser Haus
Um die Mittagszeit rüttelte der Wolf an unserer Tür
Meine Kinder glaubten ihm seine Beteuerungen
Rotkäppchen zu sein
Ich wollte sie warnen
Aber sie hielten meine Angst für den Traum einer Erwachenden
Schließlich öffnete ich die Tür
Und lobte den Wolf für sein hübsches Käppchen
Die Kinder verhielten sich ruhig
Der Wind rüttelte an Frau Holles Tor
Ich sprach mit dem Wolf über die Großmutter
Vor dem Fenster ging Rotkäppchen vorbei
Der Wolf war mittlerweile sicher Rotkäppchen zu sein
Und stürzte hinaus
Jemanden der ihn imitierte
Konnte er nicht ungeschoren davonkommen lassen
Ich zählte meine Kinder
Es waren sieben
Dann trat ich aus der Standuhr heraus
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Mittwoch, 2. September 2009

Sterntaler

Ein Mädchen im frostweißen Hemd
Verwirrt von der Suche nach Straßen
Am dunkelsten leuchtet die Nacht im Wald
Dachte sie
Der Wald, dieser ängstliche Geselle
Trägt seit Jahren schon diesen Schal
Ernährt sich von Fliegenpilzen
Und saumseligen Kindern
Die sich vermittels der Märchen
In seinem Gehölz verirren
(da bläst der Jäger in sein Horn
da ruckelt der Wind am Häuschen
da wächst die Marmelade im Gewehrlauf des Jägers)

Ich bin Sterntaler
Am Weihnachtsabend verkaufe ich Streichhölzer
Da haben die Sterne
Wichtigeres zu tun
Als mir ins Hemd zu fallen
Ich verschenke ständig meine Kleider
Und vergesse gleich darauf an wen
Ich kann mich so schlecht konzentrieren
Meine Nerven sind schwach
Meine Hände halten dem Meteoriteneinschlag stand
Da fallen Worte in das neu gewachsene Hemd
Die in der Nacht leuchten
Doch bei Tageslicht verbrennen sie
Eine Zeitlang habe ich Gedichte geschrieben
Ich verkleidete mich als Mann
Und lag Spitzweg Modell
Damals war ich genau so hungrig nach einem Namen
Wie heute
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