Donnerstag, 21. April 2011

Bezugnehmend auf Deinen Brief

Bezugnehmend auf Deinen Brief
in dem alles steht was du mir niemals sagen wolltest
gebe ich dieses Missverhältnis zu
das besteht und weiter bestehen bleibt
im Gegensatz zu unserer Blauäugigkeit

Ich fühle mich manchmal wie eine Gestrandete
die letzte Überlebende meiner Art
Du schreibst jede Art des Umgangs mit mir
gleicht dem Tanz auf einem Scherbenhaufen
und für Deine drolligen verletzlichen Füßchen
hast Du nichts als Papier
Genauso weiß wie die bleichen Knochen
Du wirfst mir vor an nichts zu glauben
und trotzdem das Wort zu führen
Die Sünden und ihr Bekenntnis
das ist was du nicht verstehst
und ich sage Dir Das ist dieses Missverhältnis
dass es diese Art von Bekenntnissen gibt
die man macht
ohne sie jemals zu verstehen

Ich bin ein Zitat meines Spiegelbildes
Niemand (am wenigsten ich)
hat jemals versucht mich zu sehen
Das ist der Grund warum ich
Unmengen von Scherben hinterlasse
mit dem Papier auf das ich die Buchstaben setze
damit sie tanzen
Nicht damit wir verstehen

_________________
530mal gelesen

Dienstag, 19. April 2011

Ihr Haus

Es war eine mühsam heitere Abkehr
Wir gingen einander auf den Grund.
Die Zeit wenn alle schlafen
Wenn die Zeit selbst schläft
Wir haben alles verloren
Die Neigung, den Hunger
Die Reinheit des Papiers
Wir machten Bilder und drehten sie um
Ich liebte das Haus weil das Haus nicht wusste was Liebe ist
Auf einmal herrschte Stille.
Und die Stille richtete sich ein.
Richtete mich auf.
Berief sich auf etwas tieferliegendes
auf Behauptungen
die sich nicht widerlegen ließen
Am Ende ist es das Schweigen das überdauert
Das Schweigen der Mauern.
Ihr Haus.
439mal gelesen

Sonntag, 17. April 2011

...

Allein in der Küche
(verbannte Scheiterhaufen)
Alles noch dunkel und still
Als wäre ich der einzige Mensch auf der Erde
(jemand, der außer dem Alleinsein nichts will)

Der gewellte Winkel
Und wie er sich aufrichtet in der Zeit
(vor der Zeit, unzeitgemäß, die Zeitmesser im Rücken)

Aber die Frage ist vielmehr
Wie aufrichten geht
Die Gedanken den Leib selbst die Stimme
(eine Sprache die schweigt)

Auf dem Meer messen wir die Geschwindigkeit in Knoten
(das mit der Aufrichtigkeit ist schon Jahre her)
Wie etwas das man an den Haaren herbeizerrt
(die man auch in Knoten winden kann)

Was aber tun wir mit den Gezeiten
Und wann wird aus kurz endlich lang
Ich verzichte auf Fragezeichen
Auf das Anheben der Stimme
Damit meine Frage harmloser klingt
(arglos)
367mal gelesen

Samstag, 16. April 2011

Das Haar meiner Mutter

In der Tiefe einer Ebene saß ich,
sah zu euch hinauf,
sah euren gelockten Gang,
die glatten Gedanken,
suchte einen Ort,
suchte mich unter euch,
suchte die Stelle, an der etwas fehlte,
an der eine fehlte die Zitronenbonbons verteilte,
den Kindern über den Kopf streichelte,
einen Fuß auf ihrem Fuß nicht übel nahm.
Ich sah nichts,
nur Wolken von Menschen,
nur bewölkte Menschen,
ich stieg in mich hinab
und behauptete mich.
Es gab keinen Ort,
aber siehe da: Hier bin ich
und denke an die gütigen Hände der Kindheit,
die vergaßen mich zu berühren.
Meine Mutter hatte schöne Haare,
aber ich schnitt sie ab.
382mal gelesen

Donnerstag, 14. April 2011

Die Traditionen der Flucht

Sie aber stand und floh. Froh der Trübsal zu entkommen. Zurechtgewiesen von ihrem Verstand, verlor sie die Orientierung, die sie sich mühsam aus den Schriften erlas, die die Schatten mildtätiger Bäume entwarfen. Und sie folgte erneut den Zeichen, die sich auf Ziffern beliefen. Summen unterhalb von ihr.
372mal gelesen

Freitag, 8. April 2011

Und sie tanzen

Was gibt es noch zu sagen
von geduldigen Gräsern
von nie verwundenen Niederlagen
von dem was einige für Wahrheit halten
um eine andere Wahrheit fernzuhalten
aufzuhalten was sie immerzu
kaum merklich und unaufhaltsam
bedrängt

Was sie von anderen sprechen lässt
um von sich selbst abzulenken
so wie ich es jetzt tue
was gibt es noch zu sagen
was unaufhaltsam wie die grünen Triebe der Bäume
ans Licht drängt

Was wir versäumt haben
und was uns nicht mehr kümmern darf
von den verschwiegenen Netzen
in denen wir unsere Träume fangen
damit sie uns nicht länger über den Kopf wachsen
und unseren Kindern zum Fraß vorwerfen
damit wir endlich fraglos schweigen
ein Schweigen
das nur die geduldigen Gräser berührt
und sie tanzen
506mal gelesen

Montag, 28. März 2011

Der Liebhaber – Marguerite Duras


Ich habe die ersten dreißig Seiten gelesen. Noch geht es nur am Rande um den Liebhaber, noch läuft alles was erzählt wird auf ihn zu, ohne ihn zu erreichen, noch geht es um die Grundlagen, um den Hintergrund, der alles ermöglicht, die Geschehnisse und das Erzählen und ich frage mich, ob ich jemals eine Mutter gehabt habe, wenn ich nicht die Kraft habe, mir eine Mutter zu erfinden, die mir so nahe kommen könnte, wie die verschwendete Leblosigkeit, die Marguerite Duras für ihre Mutter erfindet, diesen Mut, sich so sehr selbst in die Lüge zu legen, bis die Lüge wahr wird, oder diejenige, die sie aufschreibt auslöscht mit der Behauptung, selbst eine Lüge zu sein.
Es ist diese Erkenntnis, dass man grausam sein muss, um die Wahrheit aufzuschreiben. Grausam zu sich selbst, oder zu anderen, das spielt keine Rolle. Das darf keine Rolle spielen. Eine Art Rückhaltlosigkeit, die die Grausamkeit in Kauf nimmt, das ist es, worauf es ankommt. Und die Grausamkeit besteht darin, zu keinem Zeitpunkt zu vergessen, dass allein man selbst es ist, auf die es ankommt, beim Lieben, beim Schreiben, beim Erinnern und Hassen. Diese Wahrheit keinen Moment lang aus den Augen zu verlieren.
In den Büchern der Duras spürt man das in jedem Satz. Das macht sie so schrecklich. Und so schön.
Die Figuren werden monströs, weil sie verstanden werden wollen, um so mehr je weniger es möglich ist, merkt jemand in einem Bericht über Thomas Bernhard über seine Protagonisten an. Maguerite Duras geht einen Schritt weiter. Sie gibt nicht nur zu, nicht zu verstehen, sie setzt dem unmöglichen Verstehen den Blick einer sich selbst ausgesetzten Einsamkeit entgegen.
Dieses Buch, wie alle Bücher der Duras, ist voller kleiner weitreichender Wunder. „Er entschuldigte sich voller Stolz.“ Ein Satz der mühelos das Widersprüchliche in jedem Menschen vereint, wie einer Mitgefühl haben kann und trotzdem zu sich selbst steht. Nicht, um seinerseits um Verständnis zu werben, nicht um um Nachsicht zu betteln, um etwas in Worten ungeschehen zu machen, das in Taten längst umunkehrbar ist, sondern um zu sagen: Ich sehe dich, ich nehme dich wahr, aber auch den Abgrund, der uns trennt, ich akzeptiere den Schmerz, den diese Entfernung verursacht, aber ich halte stand und bleibe bestehen, bei mir, auf meiner Seite, nicht blind, nicht ignorant, aber standhaft. Auf diese Art zugewandt.
Die Armut, die alles verwahrlosen lässt. Die Liebe, die da ist, aber keinen Weg findet. Selbst nicht an ihre Heilkraft glaubt, das ist mir schon in dem allerersten Buch begegnet, mit dem Maguerite Duras mich getroffen hat, in „Sommerregen“. Und ich habe sofort gewusst, dass hier etwas Unvergleichliches geschieht, dass mich ihre Bücher von nun an begleiten würden und das war trotz der Härte, der Hoffnungslosigkeit, die sie immer wieder beschreibt, ein Trost, weil sie es versteht dem Ganzen, ohne der Wahrheit aus dem Weg zu gehen, ohne irgendwelche Abstriche zu machen, etwas entgegenzusetzen, etwas das über die Sprache hinausgeht und über das Denken, etwas wofür ich keinen Namen finde.

„Er weint oft, weil er nicht die Kraft aufbringt, über die Angst hinaus zu lieben.“
Noch einer von den Sätzen, die mich mit voller Wucht treffen, weil sie zutreffen. Mehr als mich zu lieben fürchtete meine Mutter, ich würde sie nicht genug lieben. Und nun wiederholt sich alles mit mir, weil ich es nicht anders gelernt habe, weil ich nicht die Kraft habe, dazu zu lernen.

Ich werde es aufschreiben, wird Marguerite Duras sich gesagt haben, das ist die einzige Möglichkeit, nicht mit allem unterzugehen. Und das ist der Unterschied zu den meisten, nur mittelmäßigen, nur handwerklich meisterhaften, Büchern, dass hier von Anfang an jemand spricht, weil es die einzige Möglichkeit ist, zu überleben. Nicht weil er gehört werden will, und ich nehme mir das Recht, so etwas zu behaupten, ohne etwas über die Frau Marguerite Duras zu wissen, was sie nicht selbst in die Bücher, die ich bis jetzt von ihr gelesen habe, geschrieben hat, weil es die einzige mögliche Art für mich ist, ihre Sätze zu lesen. Ich habe keine Wahl. Es ist so natürlich und notwendig, wie immer wieder Atem zu holen.
Oder Sätze wie dieser: „Seinetwegen will meine Mutter am Leben bleiben, damit er zu essen hat, damit er im Warmen schläft, damit ihn jemand beim Namen ruft.“ So klar sind ihre Sätze, so einfach und weitreichend und abgründig.
Die Mutter bleibt am Leben, damit jemand den Bruder beim Namen ruft, während er, der Liebhaber, nie beim Namen genannt wird. Er ist der Mann aus Cholen.
Und trotzdem jemand, an dem sie die eigene Unwissenheit entdecken kann. Das ist diese Art wahrhaftiger, schmerzhafter und aufrichtiger Poesie. Marguerite Duras schreibt über den Mann, den sie nie bei seinem Namen nennt, den sie nur den Mann aus Cholen nennt, oder den Liebhaber: „Vielleicht entdeckt er“, schreibt sie, „daß sie noch nie miteinander gesprochen haben, außer wenn sie sich riefen in den Schreien im Zimmer am Abend. Ja, ich glaube, er wußte es nicht, er entdeckt, daß er es nicht wußte.“
„Ohne Bosheit und von erschreckender Intelligenz“, so beschreibt der Liebhaber den Körper seiner kindlichen Geliebten und damit Marguerite Duras Art zu schreiben.
Und hier: „Sie besitzt diese unvergleichliche Aufmerksamkeit von Menschen, die nicht hören, was man zu ihnen sagt.“
Da liegen sie, ganz offen, die Schlüsselsätze, die erklären, wodurch sich manche Leben von anderen trennen. „Ihrer beider (gemeint sind H.L., die Mitschülerin im Pensionat auf die sich auch der vorherige Satz bezieht, und der Mann von Cholen) Leben scheint erfüllt zu sein, erfüllt durch Dinge, die außerhalb ihrer selbst liegen.“ „Bei mir scheint es nichts dergleichen zu geben, (...) Ich glaube, daß mein Leben begonnen hat, sich mir zu zeigen.“
Oder vielleicht auch das: „Man müßte die Leute von diesen Dingen in Kenntnis setzen. Ihnen beibringen, daß die Unsterblichkeit sterblich ist, daß sie sterben kann, daß dies vorgekommen ist, daß dies weiterhin vorkommen wird.“
Alles wird sterblich, wenn man beginnt zu erkennen, es zuzulassen, dass das eigene Leben beginnt, sich zu zeigen. Und wer das lieber vermeiden möchte, sollte die Finger von den Büchern lassen, die Marguerite Duras geschrieben hat, denn sie ist keine, die einhüllt, sondern eine die aufdeckt, die die Dinge beim Namen nennt, sei es die Liebe, sei es der Tod. Sie ist grausam aufrichtig und das ist der einzige Trost. Aber was für einer!
3237mal gelesen

Mittwoch, 2. März 2011

...

Alles ist da
um verloren zu werden
auch dieser Gedanke
Ich bin müde
Meine Überlebensgesten
erschöpfen sich
(nur manchmal steht etwas auf
wohltuend wie Wasser
wäscht ab rundet die Ecken)
Vergeblichkeit verläuft sich
Es ist dieses Muster nach dem alles gewebt ist
(daunenweich undurchlässig)
Ich wünsche mir eine lange Pause
zwischen den Worten
in die niemand etwas anderes als Stille legt
621mal gelesen

Aktuelle Beiträge

Ein gesundes, erfolgreiches...
Ein gesundes, erfolgreiches und glückliches Neues Jahr...
die mützenfalterin (Gast) - 4. Jan, 13:05
Schade,
Schade, dass die Xanthippe-Gedichte nun unter Verschluss...
Bess (Gast) - 30. Dez, 14:38
Die Natur des Menschen
Canetti hat die Natur des Menschen auf dem Punkt gebracht....
Susanne Haun (Gast) - 11. Okt, 20:14
Elias Canetti Über den...
"Das Versprechen der Unsterblichkeit genügt, um eine...
Weberin - 11. Okt, 13:25
wie schön. vielen dank....
wie schön. vielen dank. (besonders für die spanische...
Weberin - 21. Aug, 18:44
gedächtnisbruch
der siebte himmel ist ein lichtjahr und aus sägestaub...
M-undpartie (Gast) - 21. Aug, 13:41
Narben
Die verwundete Stille rauscht vorbei meine Weigerung...
Weberin - 21. Aug, 09:59
Und als Fußnote steht...
Und als Fußnote steht da immer der Tod irgendwie ist...
Sofasophia - 13. Aug, 12:14
"Ein hungriger Blick Und...
"Ein hungriger Blick Und hinter den Ohren All das Geschriebene Ausgetriebene Wie...
Bess (Gast) - 10. Aug, 22:51
Zusammen
Ein Stück hartgewordenes Brot Auf der Fensterbank Die...
Weberin - 10. Aug, 18:38

Web Counter-Modul


Suche

 

Status

Online seit 6092 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 4. Jan, 13:05

Credits

Alle Links in Popups öffnen

alle Links auf der aktuellen Seite in einem neuen Fenster öffnen 

Angst
Das lichtscheue Zimmer
Die kurze Geschichte eines langen Lebens
Die Nes Briefe
Ein Mann
Eine Art Tagebuch
es war einmal
Farben
Gesänge
Jede Beschreibung ist falsch
Literaturtage 2010
Literaturtage 2011
November
Orte
Prosa
Rezensionen
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren