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Ich weiß nicht wie man etwas festhält
Lieber Gott
Sagt Sansibar
Jetzt hast du mir schon wieder ein Jahr genommen
und weiter verschwiegen wer ich bin
Was soll ich nun anbeten
Das Papier
oder dich?
Oder ist am Ende alles dasselbe?
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Was aber sag mir
ist jung sein
Auf die Jahre warten
die es auslöschen?
Sich den Fragen in den Weg stellen
die alles aufhalten
was auf die große Antwort zustrebt?
Wo sind die Bilder in meinem Leben
oder gibt es nur Klischees?
Zum tausendsten mal den Mond
(den Hammer, die Sichel
aber das wäre schon zu konkret)
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Ja. Natürlich. Es wird dich zerreißen. Und schlimmer noch: dich allein. Ein einziges Mal wirst ausgerechnet du ausgewählt werden. Nur um zerrissen zu werden. Vor aller Augen. Allein.
So sprach ich zu mir. So redete ich auf mich ein. Immer noch wollte ich eine Dichterin sein. Genügte mir nicht das, woran ich täglich scheiterte? Ich. Meine Vergangenheit. Der zerfallene Körper. Das zerrüttete Gesicht. Ich würde mich nicht wiedererkennen, wenn ich mich nicht täglich zwingen würde, mich anzusehen. Auch wenn es kein Ansehen ist. Aber ich selbst habe einmal behauptet, dass alles wirkliche sich hinter dem Spiegel abspielt. Von wegen Spiel. Das hier ist bitterer Ernst. Das sind Gedanken. Und alles kommt über uns, aber wir wählen aus, um dann wieder sagen zu können: mit mir ist das Leid.
Ich wollte von Scham reden. Meine Art, es zu tun, ist es zu vermeiden. Scham? Was für ein seltsames Wort. Unangenehmer Klang. Ich könnte mal nachschlagen, die Suchmaschine damit füttern. Apropos füttern: wer hat eigentlich mich gefüttert mit der Scham? Eine Frage, die ich Sansibar in den Mund legen könnte und dort läge sie gut. In seiner weichen, feuchten, dunklen Mundhöhle. Der vage Moment der Möglichkeit: wird er die Frage verschlucken, auf ihr herumkauen oder spuckt er sie aus?
Und dann, wenn er sie ausgespuckt hat? Werde ich dann wissen, was Scham ist? Was das mit mir zu tun hat? Vielleicht könnte ich aufhören immerzu gesehen werden zu wollen, wenn ich mich einmal selbst ansehen würde. Vielleicht.
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es gibt nichts zu sagen
wir passen uns der stille an
nicht wissend wie gefräßig die tage sind
wie viel sie schlucken müssen
um die nächte zu füllen
mit überflüssigkeiten
mit niedertracht
mit den stufen die aus den träumen herausführen
in ein traumloses leben
über das es nichts zu sagen gibt
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dann willst du erklären
wie es geregnet hat
in dein leben geregnet hat
ein niederschlag sagst du
und weißt
was dir so klar ist
kann kein anderer verstehen
novemberregen
sagst du
weil der kalt ist
weil der nicht tanzt
wie der sommerregen
niederschlag
der den himmel auswäscht
jedes jahr neu ein november
was gibt es da zu erklären
und die tropfen kennen dich
kennen dich gut
der novemberregen und du
das ist niederschlag
und stillstand
und mut.
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Ich bin ein Räderwerk. Ich bestehe aus mehreren, miteinander unverbundenen Ideen. Sobald sie sich verbinden, löschen sie einander aus.
Wir sind weit entfernt von der Idee einer Demokratie. Gerade in der Kunst sind wir weit entfernt von Gleichberechtigung. Von einer Haltung, die diesem Begriff nahe kommen könnte. Ihn berühren und ernst nehmen würde.
Würde ist ein weiterer Begriff, den man zum weiten Begriff machen kann, wenn man ihn nicht erklären und verstehen will. Der Künstler, der nach Erfolg strebt, benimmt sich würdelos. Nehmen Sie mich als Beispiel. Um meine Worte zu verkaufen, um gelesen zu werden, poste ich in Foren, schreibe Rezensionen für virtuelle Feuilletons, ohne darum gebeten worden zu sein, und – was weitaus schwerer wiegt – ohne eine wirkliche Notwendigkeit dazu zu verspüren (außer der gelesen und wahrgenommen zu werden). Ganz schnell gelangt man dann zu diesem Punkt, an dem man beginnt sich anzubiedern (und man zu schreiben statt ich). Sich selbst verkauft man diese Art zu handeln als „Offenheit“, „Neugier“, vielleicht auch als „Unsicherheit“ und „Zweifel“.
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"Wir leben auf einem laufenden Band, und es gibt keine Hoffnung, dass wir uns selber nachholen und einen Augenblick unseres Lebens verbessern können. Wir sind das Damals, auch wenn wir es verwerfen, nicht minder als das Heute –
Die Zeit verwandelt uns nicht.
Sie entfaltet uns nur.
Indem man es nicht verschweigt, sondern aufschreibt, bekennt man sich zu seinem Denken, das bestenfalls für den Augenblick und den Standort stimmt, da es sich erzeugt. Man rechnet nicht mit der Hoffnung, dass man übermorgen, wenn man das Gegenteil denkt, klüger sei. Man ist, was man ist. Man hält die Feder hin, wie eine Nadel in der Erdbebenwarte, und eigentlich sind nicht wir es, die schreiben; sondern wir werden geschrieben. Schreiben heißt: sich selber lesen. Was selten ein reines Vergnügen ist; man erschrickt auf Schritt und Tritt, man hält sich für einen fröhlichen Gesellen, und wenn man sich zufällig in einer Fensterscheibe sieht, erkennt man, dass man ein Griesgram ist. Und ein Moralist, wenn man sich liest. Es lässt sich nichts dagegen machen. Wir können nur, indem wir den Zickzack unserer jeweiligen Gedanken bezeugen und sichtbar machen, unser Wesen kennenlernen, seine Wirrnis oder seine heimliche Einheit, sein Unentrinnbares, seine Wahrheit, die wir unmittelbar nicht aussagen können, nicht von einem einzelnen Augenblick aus -."
(Max Frisch – Tagebuch 1946 – 1949)
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Als würde es einen Unterschied machen, ob du scheiterst, bevor du untergehst. Untergehen wirst du. Das allein steht fest. Und die Leere gähnt über deine lächerlichen Versuche, wie sie schon über viel größere Versuche gegähnt hat. Und du lachst und sagst: na und? Dass es nicht deine Leere sei, denkst du, auch wenn sie dich verschluckt und außerdem hättest du Ehrgeiz, an dir sollte die Leere sich verschlucken. Du wolltest ihren Gaumen kitzeln und wer weiß, vielleicht würde die Leere aufstoßen und dich ausspucken, nach fünfzig Jahren oder mehr und dann wäre da einer, der sich dächte, was für ein ambitioniertes Ziel das Scheitern sein kann.
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Rapunzel saß in einem Turm und wurde es leid, ihre Zöpfe zu flechten. Im Traum war ihr ein Mönch erschienen, hatte ihr kichernd empfohlen, Rüben zu züchten und war verschwunden. Rapunzel löste ihre Zöpfe. Das löste ihre Probleme nicht, das löste auch nicht den Turm in Luft auf, es löste lediglich den Wunsch aus, mit dem Mönch zu sprechen.
„Können Mönche sprechen?“, fragte sie ihre Stiefmutter, nachdem diese keuchend an Rapunzels Zöpfen in den Turm geklettert war.
„Woher kennst du solche Worte?“, fragte die alte Frau atemlos.
„Ich habe sie geträumt“, antwortete Rapunzel.
„Wenn das nicht aufhört mit den Träumen, schneide ich dir die Zöpfe ab“, drohte die hässliche Frau.
Im selben Moment kam ein Mönch vorbei. Er hatte Rapunzels Stimme gehört und plötzlich war er überzeugt davon, ein Prinz zu sein. Mit dieser Annahme irrte er sich. Er war kein Prinz. Er konnte bloß fliegen. Er erhob sich in die Lüfte. Er folg vor das einzige Fenster der Burg und wedelte mit den Armen.
„Huhu Rapunzel“, rief er, „sieh nur, ich kann fliegen.“
Die Stiefmutter sagte: „Das ist ein Mönch. Jetzt weißt du es also.“
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Welch wohlig warmes Wannenbad
Wann wird Wanja Wiebke waschen?
Worauf warten wir
während Werktage waagerecht wechseln?
Wirkt wechselndes Wetter Wunder?
Wir warten.
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