Montag, 11. Oktober 2010

Nächstenliebe

„Das waren auch Menschen, sie taten einem leid, aber es war leichter, sich zu erhängen, als sie zu lieben, wie sich selbst.“

(Valeria Narbikova „Das Gleichgewicht des Lichts der Tages- und der Nachtsterne“)
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Donnerstag, 7. Oktober 2010

Schatten

Ich saß in dieser Küche
Ich dachte an Glas
Ich dachte mürrisch und sanft
Ich las
Ich las ohne Augen
Ich legte den Verstand beiseite
Um begreifen zu können was vor mir lag
Das war das traurige an der Lage
Dass sie längst keine Frage mehr barg
Ich wusste dass ich lüge
Als ich sagte
Ich denke an Glas
(so viele kleine Sandkörner)
Man kann nicht an etwas Durchsichtiges denken
Es gibt nichts um sie zu verbinden
Die dummen aussichtslosen Aussagen
Alle Geschichten sind Geschichten vom Abschied
Es gab keine Tränen
Denn Tränen sind Töne
Dein Brief aber schwieg
Dir ist es nicht gelungen die Bilder zu malen
Bilder vom Krieg
Ich weiß dass ich mehr als alles andere
Ein Teil des Wartens bin
Und nun schreibst du
Dass du auf etwas gewartet hast
Dass ich nicht bin
Einst bestrickte ich dich
Durch mein schlichtes Gemüt
Man könnte glauben
Ich würde etwas ausrufen
Man könnte glauben
Ich würde nach dir ausrufen
Oder nach mir
Man könnte glauben
Dass die Schreie im Stillen liegen
Oder im Schatten
Aus dem wir nie treten
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Mittwoch, 6. Oktober 2010

Lesung von Alissa Walser am 05. 10. 2010

Es beginnt merkwürdig. Vor dem Eingang stehen zwei Menschen, die Flugblätter verteilen, deren Inhalt sie nicht zu kennen scheinen.
Innerhalb geht es merkwürdig weiter. Alissa Walser liest einen Text zu ihrem Roman. Darin steht etwas, wie und warum der Roman entstanden ist, etwas vom rückwärts und vorwärts denken, von Zettelkästen für Gedankenblitze, von Musik, dem wandernden Klavier ihrer Kindheit und natürlich von Mesmer.
Das Stumme, sagt sie, sei Thema ihres Buches.
Ich frage mich, ob das Stumme so viele Worte verträgt.

Dann beginnt sie zu lesen, das erste Kapitel, ein Wintermorgen mit Hund. Die Finger auf den Zeilen, spricht sie von Magneten, vom Kranken der Kranke heilt, wie alles miteinander zusammenhängt, ohne deswegen verständlich zu sein.
Eine laute Geschichte vom Stummen. Eine Geschichte, in der man vor allem den Willen hört. Etwas, das von außen auf die Geschichte zugekommen ist, nichts was sie von selbst (magnetisch) angezogen hätte.
„Jede ihrer Bewegungen wie von außen bewirkt“, schreibt sie über ihre Heldin Paradis und meint damit vielleicht auch ihr Buch. Weil Sprache immer klüger ist, als der der sie schreibt.
Das Kostüm, der seit Jahrhunderten vergangen Sprache (Alissa Walser liest aus ihrem Roman „Am Anfang war die Nacht Musik“, der im 18. Jahrhundert spielt und die Geschichte vom „Wunderheiler“ Mesmer und seiner musikalisch hochbegabten Patientin Paradis erzählt), steht dem Buch gut. Dieses antike Kostüm webt ihm ein Kleid, aber es hüllt es nicht ein.
Als Paradis endlich eine eigene Stimme bekommt und zu Mesmer über die Musik spricht, ist auch Frau Walser bei sich, bei ihrem Buch. Aber da ist es schon fast zu spät, zu sehr habe ich mich über die Ambitioniertheit dieses Romans und über die unambitionierte Art ihn vorzulesen geärgert. Kurz denke ich noch: Nein, so möchte ich nicht beurteilt, beschrieben, betrachtet werden, wie ich es jetzt gerade mit Alissa Walser tue, doch dann wird mir klar: doch genau so möchte ich es. Unverblümt und verständnislos. Ganz direkt. Wie die Musik, zu der man zu tanzen beginnt, oder geht, oder – im schlechtesten Fall – bleibt und sich langweilt.
Am Wochenende startete Iris Radisch in der Zeit eine Bestandsaufnahme zur Lage der Literatur. Auch bei ihr ging es um Töne. Um „die weltaufschließende Kraft des Stils“. An die glaubt auch Frau Walser. Nur der Glaube allein mag vielleicht in der Lage sein, Berge zu versetzen, ein gutes Buch entsteht durch ihn allein nicht.
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Dienstag, 5. Oktober 2010

Bevor der Tag anbricht

Das Sammeln der Träume
Das Zurückfallen in den Schlaf
Das Innehalten
(zurückhalten vorhalten)
Ein Wort das Dich anspitzt
Ein anderes das seit Jahren unter der Zunge liegt
Das Auf- und Abgehen der Wolken
Die Zeit umbringen bis die Nacht anbricht
Du denkst an geöffnete Fenster und feste Stricke
Und das Galgenmännchen das ihr als Kinder gemalt habt
Da fällt Schnee in den sich Regen mischt
Und die Wolken vereinigen sich in ihrer grenzenlosen Langeweile
Die Flure der Schulen und Anstalten
Sind stets leer im Traum
Menschenverlassen
Bewohnt nur vom Geräusch der Leere
Und seinem einzigen Störenfried
Dir
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Montag, 4. Oktober 2010

...

In den schlaflosen Nächten
Sagte meine Mutter
Verwandeln sich die Träume
In Prophezeiungen
Und da ist niemand
Der dir verzeiht
Lass dich nicht täuschen
Von den Atemzügen der Genauigkeit
Auch wenn du einschläfst
Lernen deine Träume nie fliegen
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Aufstehen

Könnten wir zurückbleiben
Und den Blick heben
Was würden wir sehen?
Ein paar Figuren aus Lehm
Unbezwingbare Meere
Und Tiere auf ihrem Ausflug ins Gebirge
Wir wollten den Tag ergründen
Und die Nacht beleuchten
Aber man brachte uns zur Vernunft
Und wir wuschen uns gründlich die Hände
Bevor wir uns zu den anderen an den Tisch setzten
Wir aßen alles auf
Vorher durften wir nicht aufstehen
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Freitag, 1. Oktober 2010

Die Spatzen

Die Spatzen
verstehst du
ich weiß nicht einmal wie sie aussehen
(ornithologisch genau)
aber ich weiß wie winzig sie sind
(kaum eine Handvoll)
und wie weich und zerbrechlich
und grau
wie der Himmel
in den sie sich ergießen
Ich weiß wie sie sich dort Märchen erzählen
Mythen vom Anfang der Welt
als die Erde noch unbewohnt war
und der Himmel ein einziges Versprechen
von Wiederkehr
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Mittwoch, 29. September 2010

Vorübergehende Anpassungen

"Ein Berg ist eine vorübergehende Anpassung an Druck, und das Ich ist vielleicht eine ähnliche Anpassung." (Joan Didion - "Demokratie")
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Dienstag, 28. September 2010

Was wäre denn, wenn Hänsel und Gretel statt der Kieselsteine die Zeit aufgelesen hätten auf ihrem Weg zurück nach Hause?

Was man alles so auflesen kann. Den Müll den andere im Wald liegen gelassen haben, die Blümelein am Wegesrand, das stoßweise Atmen aus dem Gebüsch, die Buchstaben aus der Suppe, um damit eine neue Geschichte zu legen etc. pp.
Der Regen legte sich stufenlos auf unser Gemüt. Auserlesen. Jetzt hatten wir die Abenteuer hinter uns gebracht und vor uns lag ein Leben das nichts Nennenswertes mit uns im Schilde führte.
Wir könnten einander Namen geben, aus der Geschichte austreten. Falschen Spuren folgen, oder die Hexe im letzten Moment aus dem Ofen ziehen. Aber wir tun nichts. Wir pflegen unsere dummen Namen und schauen stumm in die Luft. Als warteten wir darauf, dass das Leben uns aufliest.
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...

Wir erzielen Fortschritte auf dem Weg in die Neidgesellschaft. Man kennt diese Experimente aus der Sozialforschung, diese Experimente, die zeigen wie schwer uns das Teilen fällt, die zeigen wie egoistisch und raffgierig wir sind, wie wir dem anderen nicht die Butter auf dem Brot gönnen. Man kennt die Experimente und ihre Ergebnisse und über diese Ergebnisse kann man traurig den Kopf schütteln oder weise nicken. Nur eins kann man nicht mehr, sich wundern, dass die aktuelle Entscheidung die Hartz IV Bezüge nur sehr geringfügig zu erhöhen, kaum als Skandal empfunden wird.
Weil man hier wie andernorts Statistiken ansieht, statt über Menschen nachzudenken, weil an der Oberfläche herumgedoktert wird, statt sich auf die Suche nach den Ursachen zu machen. Weil die Existenz und das Wachsen des Niedriglohnsektors nicht wirklich in Frage gestellt wird. Statt dessen wird Hartz IV Empfängern fortwährend unterstellt, sie seien nicht bereit, Leistung zu erbringen, sie seien nicht einmal fähig sinnvoll mit den Almosen umzugehen, die der Staat (als wäre es nicht auch ihr Staat) ihnen großzügig gewährt. In dieser Sackgasse der Diskussion dreht sich alles im Kreis, bis auch dem Letzten schwindelig wird
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