Die kurze Geschichte eines langen Lebens
17.
Er fühlt sich von der Nachbarin beobachtet
Aber er fühlt auch
Dass es nicht der richtige Tag ist
Sie auf ihren Hund anzusprechen
Und dabei an ihre Strumpfhalter zu denken
So etwas rächt sich in den Träumen
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16.
Immerzu versuche ich mir selbst ins Wort zu fallen
Schreibt er auf blaues Papier
Sie haben mir nicht einmal einen Namen gegeben
Weil ein anderer meinen Namen trägt
Wie etwas das man
Weder ihm noch mir
Zugedacht hat
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15.
Wie gut er die Zeit im Blick hat
Wenn er auf das zweifelnde Grau
Vor dem Fenster sieht
Was ist schon ein Blick
Denkt er
Wenn sich sonst nichts dazu legt
Meine Falten werden tiefer
Sagt er sich
Aber sie sind wie dieser Blick
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14.
Wenn ihm eine Gedanke gefällt
Wirft der Mann ohne Namen
ihn den Vögeln zum Fraß vor
In Worten wie Tageslicht
Liegt ein trügerischer Frieden
Die Nachbarin sagt
Dass die Tage jetzt wieder länger werden
Und er tut als wisse er genau
Wovon sie spricht
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13.
Der Mann ohne Namen hat Erwartungen
Die halten sich die Waage mit der Dunkelheit
Er hat Erinnerungen die werden stärker
Je mehr er sich zu vergessen bemüht
Er schreibt Briefe an die Vergangenheit
Und vergräbt sie im Schnee
Manchmal hat er Glück
Und wenn Tauwetter kommt
Füttert eine Katze
Ihre Mäuse
Mit seinem Brief
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12.
Wenn es hier Milchmänner gäbe,
denkt der Mann ohne Namen manchmal
die morgens die alten Flaschen mitnehmen
und frische Milch auf die Schwelle stellen
bräuchte ich keine Gebete
Nachmittags würde ich starken Kaffee kochen
Ich tränke ihn vor dem Standbild meiner Tante
Es ist aus Pappe und ich würde ihr zuprosten
Heute Abend werde ich zwei leere Flaschen vor meine Haustür stellen
Und wenn sie morgen früh fort sind
Verspricht der Mann ohne Namen seinem Gott
Glaube ich an dich
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11.
Die Nachbarin hat ihren Fernseher seit Tagen
Nicht mehr ausgestellt
Er erwacht mit der Stimme streitender Männer
Und schläft ein mit dem trübsinnigen Gebrumm
Des Nachrichtensprechers
Heute hat er gesehen
Wie sie den Müll
In den Hof brachte
Die Fernbedienung hielt sie
In der freien Hand
Der Mann der Nachbarin
Ist bekannt für seine Verleumdungen
Die Art wie er sein Haar scheitelt
Spricht für die zärtliche Liebe
Die er für seine gebrechliche Mutter empfindet
Der Mann ohne Namen hat schon lange kein Kartenhaus mehr gebaut
Wenn er die Augen schließt
Stürzt die Willkür fremder Gebete
Über ihn herein
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10.
das Großartige ist
dass ich mir keine Vorwürfe mache
denkt der Mann ohne Namen
wenn die Stille zu laut wird
und das Kratzen an meiner Tür zu verschämt
erinnere ich mich an meine Gebete
und bin dankbar
dass ich sie niemandem versprochen habe
dabei erinnere ich mich gut
wie ich war
als Kind
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9.
Wie viele Wochen soll ich
Einfach so verstreichen lassen
Denkt er
Mit ungerichteten Worten
Und Schnee vor der Tür
Vielleicht ist es ein Trost
Dass etwas das noch nicht
Angefangen hat
Keine Möglichkeit besitzt
Zu Ende zu gehen
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7.
Wenn Gott nun gar keine
Frauen kennt
Überlegt er
Sondern nur Heilige
Ich brauche eine
Der meine Welt passt
Eine die damals sagt
Und mich meint
Lieber Gott
Sagt er
Dann setzt er den Hut auf
Und schließt die Tür
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