Sonntag, 12. Februar 2012

Das Mädchen mit den tausend Faltern*

Das Mädchen mit den tausend Falten
gleicht der Rinde eines Baumes
Ihre Augen sind Blätter
Im Herbst überlassen sie sich dem Wind
Im Winter liegt ein eisiger Schleier
auf ihrem Blick.
Was sie ansieht gefriert

Hinter den geschlossenen Lidern
die Erinnerung an
Schmetterlinge Knospen
Gefühle die sie in ihren Falten
verbirgt
in ihrer Einfalt

Einmal im Frühling
traf sie ein Stein an der Schläfe
Ein kleiner versteinerter Kolibri
in der Luft stehend
nur der Wind
den er in Bewegung setze
berührte ihren Blick
und der Vogel wurde zu Stein

Eine steinerne Bewegung
Eine Erinnerung die nicht vergeht
die sich entfaltet
mit jeder neuen Falte.

*"Das Mädchen mit den tausend Falten", worauf der Titel anpielt, ist ein wunderbarer Gedichtzyklus von Nora Iuga, der dieses Gedicht gewidmet ist.
355mal gelesen

Samstag, 11. Februar 2012

Nach der Geburt

Als meine Mutter sich entschied
Mich zu hinterlassen
Stellte das Jahr seine Tage zusammen

Das Wasser im Glas bewegte sich nicht
Die Schwalben tanzten im Regen
An der Ecke verteilte jemand
Gänseblümchen an die Bedürftigen

Irgendetwas verstellte mir den Blick
Es waren keine Tränen
Mein Gesicht war eine sehr trockene Landschaft
Die Augen so blass
Wie das Gesicht des Leichenbestatters

Ich fragte nicht wo sie
Die Sommersprossen aus ihrem Gesicht
Aufgebahrt hatten
Ich stellte keine Fragen
Weil ich fürchtete es könnte Antworten geben
Antworten die nicht mehr verschwinden
Im Gegensatz zu ihr
370mal gelesen

Sonntag, 5. Februar 2012

Mutterglück

Manchmal stelle ich mir vor
wie meine Söhne reihenweise Frauenherzen brechen
und ich kein Mitleid empfinde
mit den dummen Gänsen
die einen Hund an der Leine halten
und nicht genügend Geld haben um ihren Kaffee selbst zu bezahlen

Wenn sie Zahnschmerzen bekommen
begleitet sie niemand zum Zahnarzt
nicht einmal ein Gedicht von Anne Sexton
weil sie ganz Körper sind
und viel zu jung
um irgendetwas zu begreifen
das die Nerven beruhigt

Sie geben mir die Schuld an allem
und ich trage frischgebügelte Blusen
So glücklich war ich schon lange nicht mehr.
589mal gelesen

Mittwoch, 1. Februar 2012

Februar

Ich erinnere mich an den Frost im Februar
Lichtloser Monat
Feenhafte Gestalten in den Fensterspalten
Vergessene Vorgänge
Wie die Kälte der Knochen überdrüssig wurde
Und sich auf dein Gemüt legte
Die eingefrorenen Äste winkten wie Tränen
I will love you till your tears run dry
342mal gelesen

Mittwoch, 25. Januar 2012

Bescheid wissen


Bescheid wissen
Und dann ausnahmsweise sagen
Die Hände in den Taschen
In den Taschen Löcher
An den Wangen der Herbst

Blätter segeln sehen
Und mitfliegen
Dreimal drehen
Schweben
Und zum Schluss doch wieder auf dem Boden landen

Du sagen
Obwohl keiner zuhört
Blätter unter den Füßen rauschen lassen
Den Kopf in den Wolken
Vor einer dicken Eiche stehen bleiben

Bescheid wissen
Und dann ausnahmsweise sagen
In jeder Hand einen Apfel
In den Äpfeln Löcher
Und trotzdem nicht umkehren

Hier bin ich sagen
Obwohl keiner sich freut
Die Äpfel vor den Körper halten
Versuchen zu lächeln
sagen
Wir könnten Bratäpfel machen
Wenn die Tür sich leise schließt

Bescheid wissen
328mal gelesen

Samstag, 21. Januar 2012

Novemberfeld

Die Zeit begnügt sich mit sich selbst, während wir uns mit Begriffen füttern, ohne jemals satt zu werden.

Ein trüber Tag an dem wir jegliche Hoffnung verlieren.
Der Wind trieb den Winter voran.
Zurück blieben wir;
zwei Sprachlose auf einem Novemberfeld.
Unsere Blicke gingen aneinander vorbei.
Alarmbereit,
gebeutelt vom Stillstand
erfasste uns der Wind.
324mal gelesen

Mittwoch, 18. Januar 2012

Die Einsamkeit einer Frau

Die Einsamkeit einer Frau
riecht metallisch.
Wie sie da steht
nicht ruht und doch rastet
während sie darauf wartet
dass sich einer an sie erinnert.
Nur eine Erinnerung
(ohne Bild, ohne Zeitangabe,
vor allem ohne Vergleich)
über ihren immer kalten Körper
legt und geht
ohne sie anzusehen.
380mal gelesen

Sonntag, 15. Januar 2012

Januar

Dieser Januar
Wie eine weiße Wand
Ein unwirkliches Fieber
Als wäre das alles schon Jahre her
Und gleichzeitig erst gestern
So eine Nähe zur Zeit
So eine Entfernung zur Wirklichkeit

Alles aussaugen
(wie ein Vampir so weiß die Haut)
und nie wieder davonfliegen
mit dem zärtlich werbenden Wind
der mir auf seine Art hilfreich unter die Arme fährt
sie kühl streichelt
immer wieder beharrlich
als gäbe es einen Platz für mich
auf der Welt
in der Zeit
393mal gelesen

Aktuelle Beiträge

Ein gesundes, erfolgreiches...
Ein gesundes, erfolgreiches und glückliches Neues Jahr...
die mützenfalterin (Gast) - 4. Jan, 13:05
Schade,
Schade, dass die Xanthippe-Gedichte nun unter Verschluss...
Bess (Gast) - 30. Dez, 14:38
Die Natur des Menschen
Canetti hat die Natur des Menschen auf dem Punkt gebracht....
Susanne Haun (Gast) - 11. Okt, 20:14
Elias Canetti Über den...
"Das Versprechen der Unsterblichkeit genügt, um eine...
Weberin - 11. Okt, 13:25
wie schön. vielen dank....
wie schön. vielen dank. (besonders für die spanische...
Weberin - 21. Aug, 18:44
gedächtnisbruch
der siebte himmel ist ein lichtjahr und aus sägestaub...
M-undpartie (Gast) - 21. Aug, 13:41
Narben
Die verwundete Stille rauscht vorbei meine Weigerung...
Weberin - 21. Aug, 09:59
Und als Fußnote steht...
Und als Fußnote steht da immer der Tod irgendwie ist...
Sofasophia - 13. Aug, 12:14
"Ein hungriger Blick Und...
"Ein hungriger Blick Und hinter den Ohren All das Geschriebene Ausgetriebene Wie...
Bess (Gast) - 10. Aug, 22:51
Zusammen
Ein Stück hartgewordenes Brot Auf der Fensterbank Die...
Weberin - 10. Aug, 18:38

Web Counter-Modul


Suche

 

Status

Online seit 5740 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 4. Jan, 13:05

Credits

Alle Links in Popups öffnen

alle Links auf der aktuellen Seite in einem neuen Fenster öffnen 

Angst
Das lichtscheue Zimmer
Die kurze Geschichte eines langen Lebens
Die Nes Briefe
Ein Mann
Eine Art Tagebuch
es war einmal
Farben
Gesänge
Jede Beschreibung ist falsch
Literaturtage 2010
Literaturtage 2011
November
Orte
Prosa
Rezensionen
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren