György Konrád

Am Welttag des Buches habe ich den Rechner ausgeschaltet und bin auf eine Lesung gegangen. Dort wurde mir beigebracht, dass die Idee eines Tag des Buches auf einer katalonischen Sitte beruht, dort schenkt man einander am 23. April Bücher und Rosen. Ich habe die Behauptung nicht nachgeprüft. Rosen gab es auch nicht. Und auch nur wenige Besucher, obwohl György Konrád las.

Während also jemand von Katalonien erzählt und die alten Chimären vom E-Book heraufbeschwört, sitzt Herr Konrád dort vorne auf seinem Stuhl und lässt die Blicke über die spärlichen Besucher schweifen. Ich frage mich, wie sich das anfühlt für ihn. Auf seinen Stock gestützt zuzuhören, was die Menschen, die es gut meinen, aber letztendlich von nichts eine Ahnung haben, erzählen. Von den wenigen Menschen, die gekommen sind, hantiert die Hälfte mit ihren Kameras. Dabei sollte es um die Ohren gehen, stelle ich mir vor. Aber letztendlich habe auch ich von nichts eine Ahnung.
Nach einer weiteren Einführung darf endlich Herr Konrád selbst durch die Lebensläufe seiner erdachten Figur schlendern und vorlesen, was er geschrieben hat über einen der schwebt und sich am Stock festhält, der das Geheimnis des Schwebens nur den Schwebenden verrät. Levitation der Worte. Der Text, der gelingt, hebt sich ab und lässt die Trauer zurück, baut Brücken zwischen den Sätzen, die Gedanken hinterlassen, Hintergedanken, wenn man darüber hinaus geht.
Dann liest er nicht mehr und ist bereit für die Konversation. Aber die Fragen, die gestellt werden, spärlich und von fast immer den selben Menschen kreisen um Ungarn und seine Politik und natürlich um die Tatsache, dass Herr Konrád nicht nur Schriftsteller ist, sondern auch Jude und nur knapp mit dem Leben davongekommen.
Am Ende bleibt das Gefühl, wir haben ihn traurig gemacht mit unseren dummen kleinen Fragen, die nichts von der Demut eines Calligaro hatten, der jedem seiner Schöpfer zu seinem Werk gratuliert.
338mal gelesen

Aktuelle Beiträge

Ein gesundes, erfolgreiches...
Ein gesundes, erfolgreiches und glückliches Neues Jahr...
die mützenfalterin (Gast) - 4. Jan, 13:05
Schade,
Schade, dass die Xanthippe-Gedichte nun unter Verschluss...
Bess (Gast) - 30. Dez, 14:38
Die Natur des Menschen
Canetti hat die Natur des Menschen auf dem Punkt gebracht....
Susanne Haun (Gast) - 11. Okt, 20:14
Elias Canetti Über den...
"Das Versprechen der Unsterblichkeit genügt, um eine...
Weberin - 11. Okt, 13:25
wie schön. vielen dank....
wie schön. vielen dank. (besonders für die spanische...
Weberin - 21. Aug, 18:44
gedächtnisbruch
der siebte himmel ist ein lichtjahr und aus sägestaub...
M-undpartie (Gast) - 21. Aug, 13:41
Narben
Die verwundete Stille rauscht vorbei meine Weigerung...
Weberin - 21. Aug, 09:59
Und als Fußnote steht...
Und als Fußnote steht da immer der Tod irgendwie ist...
Sofasophia - 13. Aug, 12:14
"Ein hungriger Blick Und...
"Ein hungriger Blick Und hinter den Ohren All das Geschriebene Ausgetriebene Wie...
Bess (Gast) - 10. Aug, 22:51
Zusammen
Ein Stück hartgewordenes Brot Auf der Fensterbank Die...
Weberin - 10. Aug, 18:38

Web Counter-Modul


Suche

 

Status

Online seit 6040 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 4. Jan, 13:05

Credits

Alle Links in Popups öffnen

alle Links auf der aktuellen Seite in einem neuen Fenster öffnen 

Angst
Das lichtscheue Zimmer
Die kurze Geschichte eines langen Lebens
Die Nes Briefe
Ein Mann
Eine Art Tagebuch
es war einmal
Farben
Gesänge
Jede Beschreibung ist falsch
Literaturtage 2010
Literaturtage 2011
November
Orte
Prosa
Rezensionen
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren