Scheitern


Ich habe nicht so sehr Angst, zu scheitern, als vielmehr davor, längst schon gescheitert zu sein und nach wie vor nicht zu erkennen, dass es so ist.
In diesem fünften Jahr der Arbeit am Roman, musste ich mir eingestehen, den Atem noch immer nicht gefunden zu haben und die Tatsache, dass ich dennoch nicht bereit war aufzugeben (obwohl ich mir ein Scheitern des bislang verfolgten Aufbaus eingestand), konnte ich als trotziges Festhalten an etwas längst verlorenem bezeichnen, oder als Aufgabe, Berufung (etwas das allein in der Lage wäre, mich auf Dauer zu befrieden, schreibt Ursula Krechel), etwas das ich nicht aufgeben konnte, ohne gleichzeitig den Glauben an mich selbst aufzugeben.
2079mal gelesen
Der Kurze (Gast) - 19. Feb, 19:21

Maurice Blanchot

Das Desaster ruiniert "alles" und läßt doch "alle" bestehen. Es trifft nicht den einen oder den anderen, "ich" werde nicht von ihm bedroht. In dem Maße, wie mich (weil verschont, beiseite gelassen) das Desaster bedroht, bedroht es in mir das, was außer mir ist, einen Anderen als mich, der ich, passiv, ein Anderer werde. Man wird vom Desaster nicht getroffen. Außer Reichweite ist der, den es bedroht, man kann nicht einmal sagen, ob von nah oder fern - das Unendliche der Bedrohung hat in gewisser Weise jede Begrenzung durchbrochen. Wir stehen am Rand des Desasters, ohne daß wir es in der Zukunft verorten könnten, es ist vielmehr immer schon vergangen, und trotzdem stehen wir am Rand oder unter der Androhung - alles Formulierungen, die die Zukunft einbezögen, wäre das Desaster nicht das, was nie kommt, was jede Ankunft verweigert hat.

Das Desaster denken (wenn das möglich ist, und es ist in dem Maß nicht möglich, wie wir ahnen, daß das Desaster "das Denken" ist), heißt, keine Zukunft mehr zu haben, um es überhaupt zu denken.

Der Roman hat von der These als solcher nichts zu fürchten - unter der Bedingung, dass die These akzeptiert, ohne den Roman nichts zu sein. Denn der Roman hat seine eigene Moral: Doppelsinn und Zweideutigkeit. 1945

(Maurice Blanchot)

elke66 - 20. Feb, 11:03

Ein weitreichendes Zitat. Vielen Dank!
la-mamma - 20. Feb, 12:22

ich denk mir, die fähigkeit eigenes teilweise auch wieder zu verwerfen, umzubauen oder umzuschreiben, sollten sie nicht mit scheitern verwechseln.

Daniil Charms (Gast) - 20. Feb, 12:38

Das finde ich allerdings auch, im übrigens meint mein alter Saufkumpa Beckett, immer wieder scheitern, immer besser scheitern oder so ähnlich
elke66 - 20. Feb, 12:52

frau la-mamma, herr charms, danke für ihre worte. allerdings ging (und geht) es mir nicht so sehr darum weiterzumachen auch nach rückschlägen, sondern zu erkennen (oder eben nicht zu erkennen), wann ich mich verrannt habe, das scheitern somit einen neuanfang erfordert.
Peter Esterhazy (Gast) - 20. Feb, 12:53

Dann schreiben Sie halt weiter, ich les es dann durch
elke66 - 20. Feb, 12:56

die anwesenheit so vieler verehrter personen auf diesem blog, beginnt mich befangen zu machen.
Goethe (Gast) - 20. Feb, 12:59

Nun, wohlan, man hat mir gesagt, hier wird vom scheitern geredet. als ich, in den frühen jahren, errötet und erbittert war, weil ich alles aus den Augen verlor, da dachte ich, nun wohlan, Goethe, aus Dir wird nie etwas und so kam es dann auch.
Terpsichore - 21. Feb, 15:27

Zur Angst vor dem Scheitern

hab ich hier etwas für Sie. Vielleicht mögen Sie es.

http://terpsichore.twoday.net/stories/restauration/

elke66 - 21. Feb, 16:44

ja. das gefällt mir tatsächlich.
und übrigens: ich mag ihr blog auch.

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