Wasserwesen

Ein Mann aus Lehm, der alles wusste, bis der Wind ihm einen Namen gab und er anfing zu vergessen. Und Franz hieß oder Walter und sich nur noch an das erinnerte, was geschrieben stand. Was erzählt wurde. Immer wieder, dieser seltsamen Singsang der Stimmen.
Was der Wind erzählte und die Jahreszeiten, die Felder und die Wolken, verstand er längst nicht mehr. Nur manchmal am Meer, wenn die Wellen wütend ans Ufer schlugen und salzige Körner auf seinen Lippen zurückließen, saß etwas in seinem Kopf, das lachend Steine und Muscheln warf, die sich weder hinunterschlucken noch ausspucken ließen.
Seine Tränen sammelte er in einer Konservenbüchse. Eines Tages würde er sie den Mädchen zeigen.

Schließ die Fenster, hatte sie gesagt, es wird ein Unwetter geben. Er hatte nicht aufgesehen und nichts gefragt. Kein Schulterzucken und die Nacht war längst hereingebrochen, die Kinder schliefen. Ihre Kinder.
Seine Kinder. Tags zuvor waren die Reste der Schwimmhäute abgefallen. Das war das letzte Zeichen.

Das Schlimmste war ihre Haut, die immer dunkler wurde, jeden Tag, an dem er die Frage nicht stellte. Schlimmer als der Tang und die Algen. Als der Geruch des Meeres, der den Poren entströmte, die grün schimmernde Kopfhaut unter den Haaren. Ihre Konturen verliefen, aber jede Nacht kreuzte sie seine Arme über der Brust.

Wie lächerlich, sagten die Mädchen, die längst keine Kinder mehr waren, als sie seine Tränen in der Dose sahen, ein durchsichtiges Gewässer über rostig rotem Grund.
Sie brauchte kein Wasser mehr, behaupteten sie, ihr waren längst Füße gewachsen.
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