Sonntag, 15. April 2012

Zwölfter Brief

Lieber Nes,

sie haben den Morgen geputzt,
die Haltung gerichtet
und ich erwarte den Tag
wie einen überfälligen Brief
(wer bin ich ohne den Trost deiner Worte?)

Ich erinnere mich an die Frau mit dem Skizzenblock,
wie sie den Mann neben sich zeichnete,
ganz nebenbei, so wie ich dich manchmal
mit Worten zu zeichnen versuche
und sie und ich,
wir haben unsere Bilder.
Und manchmal vergessen wir,
dass es nur Bilder sind.
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Freitag, 13. April 2012

Siebter Brief

Du schreibst wir sollten unsere Worte zählen,
wir sollten einfach schreiben und einleuchtend.
Du glaubst an das Gleichgewicht, schreibst du.
Und dass du deine Überzeugung mit mir teilen willst.
Du wünscht, wir sollten im gleichen Gedankenraum wohnen.
Gemeinsam im richtigen Moment erwachen.

Den Traum köpfen,
damit die Behauptungen sich behaupten,
das Kopflose den Träumen überschreiben.
Vielleicht hast du jetzt schon an mich gedacht,
meinen Brief gedreht, gewendet und gelesen.
Das Fenster geöffnet und auf meinen Namen gelauscht,
vielleicht.

Ist das nicht ein wunderbares Wort, Nes?
Vielleicht.
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Dienstag, 10. April 2012

Definition

"Und was heißt Definition anderes, als etwas an seiner äußersten Grenze genau abzustecken und zugleich ganz offen zu lassen?"

(Ilse Aichinger in einem Rundfunkfeuilleton über Adalbert Stifter)
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Samstag, 7. April 2012

Sechster Brief

Lieber Nes,

ich verstehe von all dem nicht viel.
Das ist ein Grund zu beginnen.
Weil man keinen Grund braucht.
Wenn du wartest ist das viel.
Wir haben uns lieber als die Wirklichkeit.
Das ist der Nährboden der Tragödien.
Die wachsen ganz von allein.
In den Himmel und in die Hölle.
Und wir hinken hinterher.

Wir bilden uns ein
wir könnten die Richtung bestimmen.
Es gibt keine Richtung.
Und die bleibt immer gleich.
Was machen wir mit den Scherben unserer Erinnerung?
Pflastern wir die Wege die niemand betritt?

Du wartest nicht auf mich Nes
nur auf eine der Scherben.
Aber wenn du sie findest
weißt du nichts damit anzufangen.
Du steckst sie in einen Umschlag
auf den schreibst du
Machs gut!

Deine Briefe taumeln Nes
Das ist keine Leichtigkeit.
Das ist der blinde Flügelschlag.
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Freitag, 6. April 2012

Maurice Blanchot

"Warten schenkt Wachsamkeit, indem es alles Erwartete fortnimmt."
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Mittwoch, 4. April 2012

Mathias Traxler

"Du hast meine Verse entstellt und ich danke dir sehr dafür."
(Mathias Traxler)
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Erster Brief

Wir nennen Dich Nes
Hast Du das nicht gewusst?
Wir tun alles hinter Deinem Rücken
Wir sitzen blicklinks auf den Zäunen
wenn Du vorbeischleichst
in Deinen Mantel gehüllt
wie in eine Erinnerung.
Wir sehen das Kriecherische in Deinem Blick
Du willst es unter dem Kragen verbergen
Aber das gelingt Dir nicht
Nes
Dir gelingt ja nicht einmal mir einen Brief zu schreiben
Dir fallen die Worte aus dem Mund
Und immer ist es ein anderer
der sie auf ein Stück Papier klebt
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Sonntag, 1. April 2012

Die Einsamkeit des Schreibens

Die Einsamkeit des Schreibens, das ist die Einsamkeit, ohne die Geschriebenes nicht entsteht oder zerbröckelt, blutleer von der Suche, was man noch schreiben könnte. Es verliert sein Blut, wird vom Autor nicht mehr anerkannt. (...)
Es bedarf immer einer Trennung von den anderen Leuten um die Person herum, die Bücher schreibt. Das ist Einsamkeit. Das ist die Einsamkeit des Autors, die des Geschriebenen. Um einen Anfang zu machen, fragt man sich, was das war, diese Stille um einen herum. Und praktisch bei jedem Schritt, den man in einem Haus tut, zu allen Stunden des Tages, in jedem Licht, ob es von außen kommt oder von den tagsüber brennenden Lampen. Diese reale Einsamkeit des Körpers wird zu der unverbrüchlichen Einsamkeit des Geschriebenen.

(Marguerite Duras "Schreiben")
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Montag, 19. März 2012

Die Frau mit den ausgelöschten Gesichtszügen

Man nahm sie kaum wahr.
Ihre Gesichtszüge waren ausgelöscht.
Nicht von der Zeit. Sie war nicht alt.
Es war etwas Unbedeutendes.
Etwas Unbedeutendes was sich behauptet hatte.
Es hatte sich behauptet und ihre Gesichtszüge ausgelöscht.

Sie legte ihre ausgelöschten Gesichtszüge in seine Hand.
Nicht damit er sie verändern sollte,
von dieser Art Wünschen, war sie längst schon weit entfernt.
Sie fühlte in sich einen Prüfstein der Ewigkeit, den sie einen Moment lang still teilen wollte.

Er war der Mann mit den kleinlichen Händen.
Sie hatte von ihm gelesen.
Sie hatte ihn gesucht.
Dann war sie ihm begegnet.
Sie hatte ihn sofort erkannt.
Er hatte seine Hände in den Manteltaschen verborgen.
Aber das machte nichts. Sie erkannte ihn.
Sie redeten nicht miteinander.
Sie hätten sich nicht verstanden.
Sie sprachen nicht die gleiche Sprache.
(die wenigsten Menschen tun das).
Sie legte ihre ausgelöschten Züge in seine Hände.
Und er hielt es aus.
Das war alles.
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